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160#Warten in Lichtgeschwindigkeit

Monday, May 2nd, 2011

Ich bin krank. Und ich will jetzt hier nicht darüber schreiben, wie es mich ankotzt, dass ich krank bin und dass ich in meiner Freiheit eingeschränkt bin und in meiner Möglichkeit Geld zu verdienen etc. etc.

Ich bin krank und wenn man krank ist hat man für gewöhnlich eine Menge Zeit zur Verfügung, die zwar meistens nicht reicht um schnell genug wieder gesund zu werden, aber um sich irgendwann zu langweilen, zehntausendmal im Bett rumzudrehen, fünftausendmal aufs Klo zu rennen, dreitausendmal Tee zu kochen und fünfzigtausendmal die Nase zu putzen und ganz vor allem einen sehr zum grübeln einlädt.

Gerade eben saß ich in der Küche, wartete, dass der Wasserkocher das Wasser zum kochen brachte, wartete daraufhin, dass das Wasser abkühlte, weil ja Grüntee und Co, und dachte kurz noch, ja zwei Minuten warte ich. Aus den zwei Minuten wurden ca 8 Minuten, die ich in der Küche saß und nachdachte.

Zuerst über mich und was mich an mir stört und nervt und dass ich wahrscheinlich in letzter Zeit so viel genervt (vor allem von anderen), weil ich mich selbst nerve. Und warum und was ich dagegen tun kann. Und dann sitz ich da in der Küche und betrachte den Nussknacker und das Foto aus Tel Aviv und die Gläser daneben und die weiß rote Einrichtung und die alte Tür und plötzlich denke ich über unsere Küche nach, dass es ja schon sehr eine Studentenküche ist, aber eine schöne Küche. Durchaus mit einer gewissen Art von Stil, oder so, Studentenstil.

Dann wunderte ich mich über mich selbst und dachte an den Tee und meine verstopfte Nase, die mich selbst anekelt, aber dass zumindest unsere Küche irgendwie schön ist.

Schließlich goss ich den Tee auf und wartete zwei Minuten auf die Uhr starrend, dass der Tee fertig gezogen war. Und auch diese zwei Minuten dachte ich nach, worüber weiß ich allerdings nicht mehr. Mir fiel nur plötzlich auf, dass schon wieder 1,5 Minuten vergangen waren und wie schnell doch die Zeit vergeht, auch wenn man wartet. Sie rieselt einem wirklich wie Sand durch die Finger. Und ich habe den Minutenzeiger sich bewegen sehen, in Lichtgeschwindigkeit.

Schade, dass man sich so oft über das Warten ärgert. Man ärgert sich umsonst, denn tun kann man dagegen eh nichts, und verpasst wertvolle Nachdenkzeit. Ich warte gerne.

Aber deswegen bin ich noch lange nicht gerne krank, warten kann ich auch wann anders.

145#ein gemeinsames Einverständnis

Monday, September 6th, 2010

oberbaumbruecke1

Ich bin heute Fahrrad gefahren. Eigentlich fahr ich jeden Tag Fahrrad, aber heute bin ich das erste Mal seit langem mit meinem guten Fahrrad gefahren, dass noch bei meinen Eltern stand. Jetzt ist es hier, hier in Berlin. Ich bin schnell gefahren, sehr schnell. Ich war die schnellste. Bin an allen anderen Fahrradfahrern vorbei gerast. Jeder Tritt hat mich sehr viel weiter gebracht. Die Straßen, die Menschen, die Dinge um mich herum sind an mir vorbei geflogen. Es war kein Spazierenfahren. Es war ein Fahren im Rhythmus der Stadt, im Leben Kreuzköllns. Ich habs genossen.

Hinterher glühten meine Wangen und mein Körper strahlte eine Hitze aus, dass man mich als Heizkörper in eine Wohnung hätte stellen können.

Ich hörte mit vielen Erinnerungen besetzte Musik, es zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht und der Wind rauschte durch meine Wimpern. Es war ein Durchbrechen von Raum und Zeit und irgendwo auf der Oberbaumbrücke und der Warschauer Brücke ein Blick gen Westen Richtung sonnendurchfluteter Abendstadt, ein kurzes Glücklich Sein, ein Händedruck mit mir und der Stadt und der Welt, ein Sich Zunicken, ein gemeinsames Einverständnis.